
(Foto: Thiemo Jentsch)
„Auf Dauer wird das System der Pflege so nicht funktionieren. Es fehlt an Personal und an einer ausreichenden Finanzierung.“ So lassen sich die Eingangsstatements der Dialogveranstaltung zum Thema Pflege von Olaf Lies und Hinrich Ennen in Büppel zusammenfassen. Frieslands SPD-Landtagsabgeordneter hatte Beschäftigte im Pflegebereich, Einrichtungsleiter und Bürgerinnen und Bürger zu einer Dialogveranstaltung mit dem Thema „Gute Pflege für alle – wertvolle Pflege sichern“ eingeladen. Für das Eingangsreferat stand der Landesbeauftragte vom Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V., Hinrich Ennen, zur Verfügung. Sein Verband vertritt in Niedersachsen ca. 500 ambulante und ca. 500 stationäre Einrichtungen. In seinem Statement machte Ennen auf die immer schwieriger werdende Situation im Bereich der Pflege aufmerksam. Dem Thema Fachkräfte kam dabei ein besonderer Stellenwert zu. Es gebe einen erheblichen Engpass beim Nachwuchs und die Verweildauer der Pflegekäfte sei aufgrund der hohen körperlichen aber auch psychischen Belastungen relativ gering. „Oft sind es nur wenige Jahre in denen die Pflegekräfte in ihrem Beruf tätig sind“, so Ennen. Er sieht auch den dringenden Bedarf für eine Anhebung der Pflegeversicherung. „Mindestens um die Inflationsrate muss die Leistung angehoben werden. So geht es nicht weiter“, so Ennen.
Das Thema Fachkräftesicherung nahm dann auch breiten Raum in der Diskussion der Gäste ein. Große Einigkeit herrschte bei den Beteiligten daher beim Stichwort Umlagefinanzierung für die Altenpflegeausbildung. „Wir wollen, dass die Pflegeeinrichtungen die nicht ausbilden in das System einzahlen und die Einrichtungen die ausbilden entsprechende Mittel bekommen. Das System gab es schon und könnte morgen so wieder eingeführt werden“, erklärt Lies die Vorstellungen der SPD Landtagsfraktion dazu. Er fordert eine wirkliche duale Ausbildung wie in der Ausbildung der Gesundheits- und Krankenpfleger. Allerdings sei die Abbrecherquote gerade in der Altenpflege besonders hoch. Viele jungen Menschen geben schon in den ersten Wochen und Monaten wieder auf In Niedersachsen brechen fast 50% die Ausbildung ab. „Das hat eben auch sehr viel mit der hohen Belastung im Beruf zu tun“, so verschiedene Einrichtungsleiter. Sie fordern einen einheitlichen Personalschlüssel für die Einrichtungen. Und Kritik gab es auch an den Pflegesatzverhandlungen. „Wir haben in Niedersachsen die geringsten Pflegesätze in den westlichen Bundesländern“, erklärt Martin Otto, Einrichtungsleiter von „To Huus“ in Varel. So werden z.B. in Nordrhein-Westfalen in der Pfelgestufe III 103€ pro Person und Tag vergütet, in Niedersachsen erhält eine Einrichtung für die gleiche Aufgabe nur 80€. „Und von unseren niedersächsischen Pfelgekassenbeiträgen finanzieren wir die Leitungen in den anderen Bundesländern noch mit“, berichtet Lies. „Die Pflegesätze in Niedersachsen müssen endlich angepasst werden.“
„Wir brauchen endlich einen Tarifvertrag für die sozialen Berufe“, so Lies. Der müsse in der gesamten Branche gelten und würde zumindest sicherstellen, dass die Pflegesatzverhandlungen nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. Angesprochen wurde von den Teilnehmern aber auch der viel zu große Aufwand bei der Dokumentation. „Die kann man locker um 50% kürzen, dann haben wir mehr Zeit für unsere Bewohner“, so der Tenor der anwesenden Pflegekräfte. Bei den Kontrollen steh immer die Dokumentation im Vordergrund, dabei müsse es doch primär um die Lebensqualität der Bewohner und zu Pflegenden gehen. Das größte Fragezeichen der Teilnehmer stand allerdings hinter der Frage, wie in den nächsten Jahrzehnten die Finanzierung der Pflege sichergestellt werden soll. „Der demografische Wandel bedeutet auch, dass wir in Zukunft weiteren Bedarf an ambulanter und stationärer Pflege haben werden“, beschreibt Lies die Situation. Das werden wir mit einem rein beitragsfinanziertem System kaum lösen können. Das sei auch eine große Herausforderung an die Kommunen für neue Wohn- und Betreuungsformen. „Und ein ist mir auch noch ganz wichtig“, so Lies am Ende der Veranstaltung. „Wir haben heute sehr wenig über die pflegenden Angehörigen gesprochen. Wenn wir die nicht hätten, dann wäre das ganze Pflegesystem schon lange zusammengebrochen!“ Darum ärgere es ihn auch so, dass die Landesregierung gerade bei diesem Personenkreis massiv gekürzt hat. „Die Landesregierung spart auf Kosten der Menschen sechs Millionen Euro bei der Kurzzeitpflege“, berichtet der stv. Fraktionsvorsitzende. „Damit können sich viele Angehörige die kurze Auszeit und Phase der Erholung von vier Wochen nicht mehr leisten. Immerhin müssen sie ca. 500 Euro mehr bezahlen.“